Das Leben ist eine schöne Reise (PDF)
Ich treffe Puvi Thurairajah, 50 Jahre alt, inmitten des 2. Lockdowns in seinem Restaurant «Sydebändel» in Sissach.
Puvi kannte ich bisher nur vom Lesen und Hören. Mich faszinierte seine Herkunft, welche sich auch in seinem Aussehen zeigt, ganz im Gegenspiel zur traditionellen Baselbieter Beiz. Sein Erfolg ist unbestritten und darum wollte ich der Frage nachgehen, wie man es schafft, als Tamile die Herzen der Einheimischen zu erobern, und zwar nicht mit der Küche aus Sri Lanka, sondern mit bodenständigster Baselbieter Küche. Einen Teil meiner Antwort hatte ich schon nach der ersten Minute erhalten. Wie während des ganzen Lockdowns, wenn ich Wirte besuchte, war es ein etwas komisches Gefühl, in ein geschlossenes Restaurant hineinzukommen. Schon beim Eintreten dachte ich «wow»! Eine wunderschöne, von Holz dominierte Gaststube, richtig heimelig Und da stand er, Puvi. Er wirkte auf mich auf den ersten Blick klar und mit einer gesunden Portion Stolz. Doch begrüsste er mich mit einer grossen Herzlichkeit. Seine Augen strahlen eine Wärme aus, wie man sich von einem Gastgeber vorstellt. Er gibt dieser warmen Gaststube das Herz, und zwar voll und ganz. Gastfreundschaft ist hier nicht nur eine Floskel. Gastfreundschaft kommt bei Puvi aus dem Herzen. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass er jedem Menschen mit viel Respekt begegnet. Seine Demut dem Leben gegenüber gibt er auch an seine Gäste und Mitmenschen weiter. Beim Gespräch fiel mir noch etwas besonders auf. Das Leben ist für ihn wie eine Reise, eine Reise die im Jahre 1986 nicht ohne Hindernisse im Norden von Sri Lanka als Flüchtlingskind begann.
Im Jahre 1989 kam er mit 18 allein in die Schweiz. Damals landete er in Liestal.
Nach 8 Monaten hatte er seinen ersten Job in einer Vakuumfabrik in Lausen und danach kam er als Tellerwäscher zu Heinz Zimmermann ins Giuseppe Verdi nach Sissach.
FB: Du hast also eine richtige Tellerwäscherkarriere gemacht?
PT: Ja, ich habe als Tellerwäscher angefangen. Ich habe alle Stationen in einem Restaurant durchgemacht. Ich weiss darum auch genau, was ich von meinen Mitarbeitern erwarten kann.
FB: Wie hat Deine Selbstständigkeit begonnen?
PT: Das war in Thürnen im Warteckstübli. Vorher hatte ich eine Bar in Schönenwerd geführt. Beim Durchfahren in Thürnen habe ich das Restaurant gesehen. Ich habe mich gemeldet und habe es angeschaut. Ich wusste schnell, dass ich meine Idee da umsetzen kann.
FB: Du hattest schon eine Idee. Was hattest Du denn für eine Idee?
PT: Bevor ich etwas mache, weiss ich schon, was ich möchte. Ich habe zuerst ein Bild im Kopf und weiss, was ich machen möchte. Ich habe bei allem zuerst einen Plan und lege nicht einfach los. Ich wollte ein Speiserestaurant mit schöner und angepasster Dekoration, in dem man sich wohl fühlt. Ich wollte, dass man sieht, dass ich mir Mühe gebe. Ich glaube, man kann aus jedem Lokal etwas machen.
Das Restaurant Wartestübli hat Puvi 15 Jahre erfolgreich geführt. Und dies mit einer traditionellen Schweizer Küche. Im Jahre 2015 hat er dann in Sissach das Restaurant Sydebändel übernommen. Schon zwei Jahre vorher hat er mit der Planung angefangen.
FB: Du hast gesagt, dass du eine Idee hattest, doch was bringt denn eine Idee zum Funktionieren?
PT: Du musst es spüren … . Du musst den Gast spüren. Z.B. im Warteckstübli brauchte es kein Rindsfilet. Man muss sich auf die Wünsche der Gäste einlassen können und sich dann auch anpassen. Manchmal muss man auch von seiner ursprünglichen Idee vielleicht etwas abweichen. Nicht zu vergessen ist die Wahl der Produkte. Es ist wichtig, mit guten Produkten zu arbeiten. Es gibt ja genügend Restaurants. Da muss man einfach gut sein.
FB: Kommen die Leute wegen dem Essen oder wegen Dir?
PT: Man sagt nicht, man geht in den «Sydebändel» essen, man sagt, man geht zu Puvi essen. Ich koche immer noch selbst, doch man merkt nicht, ob ich da bin oder nicht. Meine Köche kochen genau gleich wie ich.
FB: Genau wie Du? Wie hast Du das gemacht?
PT: Ich arbeite mit meinen Köchen, bis ich sicher bin, dass sie es machen, wie ich selbst. Ich klone mich sozusagen. Der Gast bekommt bei uns immer die gleiche Qualität. Die Qualität ist nicht von Launen oder vom Koch abhängig. Dies schafft Vertrauen bei meinen Gästen.
FB: Wie hast du Dir das Kochen angeeignet?
PT: Ich hatte Mentoren, die mir das Handwerk beigebracht haben. Z.B. Rainer Lipski hat mich lange begleitet. Er war eine wichtige Person. Zudem habe ich viel gesehen. Ich beobachte viel. Da ich keine Kochlehre hatte, muss ich auf ein Ziel hinarbeiten. Und dafür muss man überzeugt von sich selbst sein. Und das ist, so glaube ich, eine meiner grossen Begabungen. Ich habe ein gesundes Vertrauen in mich und mein Können. Darum erreiche ich auch, was ich mir vornehme. Natürlich, der Fleiss darf nicht fehlen. Ich bezeichne mich als fleissigen Menschen. Ohne das würde es nicht gehen.
FB: Könntest Du dir auch vorstellen etwas anderes als Gastronomie zu tun?
PT: Ja – klar. Ich könnte viel machen. Etwas ist klar. Ich würde es immer als Selbstständiger machen wollen. Meine Mission war immer selbständig zu sein. Ich könnte auch Treuhänder sein. Ich landete in der Schweiz. Die Möglichkeiten hier waren gegeben, in diem Gastronomie einzusteigen. Darum bin ich da gelandet, wo ich bin.
FB: Hast Du Vorbilder?
PT: Ja, ganz klar mein Vater. Er hat mich geprägt. Er war wunderbar. Ich bin ihm sehr dankbar. Die Selbständigkeit liegt uns im Blut. Aber ich bin sehr dankbar, dass ich viele gute Freunde habe, die mir immer wieder geholfen haben. Z.B. das Restaurant Sydebändel habe ich mit 3 Freunden geplant, die mir zur Seite standen.
Immer wieder spürt man, wie viel Puvi schon erlebt hat und vor allem, wie fest er in seinem Leben schon gekämpft hat. Seine Worte wählt er stets sehr überlegt. Und auch, wenn seine doch prägende Vergangenheit immer wieder eine Rolle spielt, ist Puvi ein Mensch, der nach vorne denkt. Doch immer mit dem Demut für seine Erlebnisse, Vergangenheit und Herkunft.
FB: Hast Du noch weitere Ziele?
PT: Ja, ich würde gerne noch einen etwas grösseren Betrieb führen. Doch ich bin auch nicht enttäuscht, wenn das nicht mehr klappt. Ich bin hier zufrieden und kann mich jeden Tag herausfordern.
FB: Was hat Corona mit dir gemacht?
PT: Ja, die Situation ist nicht schön. Auch ich hoffe, dass wir bald wieder arbeiten können. Ich habe gespart und jetzt bin ich froh um meine Reserven. Doch ich habe auch keine Angst, dass es nicht wieder gut kommt. Corona war für mich persönlich eine positive Zeit, da ich mehr Zeit für mich und die Familie hatte. Um etwas zu erreichen muss man immer etwas mehr leisten als normal und hat wenig Zeit. Dies konnte ich die letzten Monate etwas kompensieren.
FB: Verschieben sich die Ziele im Alter?
PT: Ja, man lernt, sich mit weniger zufrieden zu geben. Dass Arbeiten und beruflicher Erfolg nicht alles ist im Leben. Mein grösster Erfolg ist meine Familie. Doch Ziele muss man immer haben. Das ist wichtig.
FB: Mitarbeiter sind immer wieder ein Thema. Wie findest Du gute Mitarbeiter?
PT: Das muss man spüren. Ich suche Menschen, die die Arbeit gerne machen und für mich und meine Vision arbeiten möchten. Das ist die Basis. Vieles kann man lernen.
FB: Wie führst Du Mitarbeiter?
PT: Ich arbeite mit Listen und klaren Anweisungen. Jeder muss meine Leitwerte kennen und muss dahinterstehen. Ich gebe mein Herz weiter. Der Mitarbeiter muss sich an gewisse Regeln halten. Und ganz wichtig ist, man muss diese Regeln vorleben. Was man nicht vorlebt kann, kann man auch nicht von seinen Mitarbeitern verlangen.
FB: Was ist wichtig als Unternehmer?
PT: Solange ich gut bin, bin ich hier und tue was ich tue. Irgendwann muss ich loslassen. So ist es auch mit Mitarbeitern. Wenn es nicht mehr passt ist es besser, getrennte Wege zu gehen. Als Unternehmer muss man offen sein und loslassen können. Entscheidungen fälle ich mit Kopf und Bauch. Zuerst ist es oft der Bauch und dann kommt aber schon auch der Kopf, der prüft. Die besten Entscheide sind Kopf-Bauch Entscheide. Es ist wichtig, dass man sich auch bewusst ist: Perfekt ist niemand.
FB: Wie gehst Du mit falschen Entscheidungen/Tiefschlägen um?
PT: Wichtig ist, dass man dazu steht. Nur so kann man es besse machen. In zwischenmenschlicher Beziehung sollte man sich für Fehler auch entschuldigen können. Es ist wichtig zu Fehlern zu stehen.
«Ich habe viel erreicht im Leben – das bringt einem auch dazu ehrlich zu sein.»
FB: Was würdest du einem jungen Gastronomen raten.
PT: Einen guter Businessplan zu haben, gut rechnen können und Bereitschaft für viel Einsatz haben. Dann ist es wichtig zu wissen, dass man Gastronomie leben und spüren muss.
Mit diesen Worten beenden wir unser Gespräch. Ein Gespräch, welches einerseits von viel Demut und Achtsamkeit geprägt war und in dem auf der anderen Seite immer wieder seine Klarheit und Zielstrebigkeit zum Vorschein kommen. Man spürt auf der einen Seite die grosse Freude für Menschen, für seine Gäste und auf der anderen Seite sein Gespür für Unternehmertum. Darum ist es auch nicht erstaunlich, dass er meint, dass Ängste mit guter Planung und verschiedenen Alternativplänen fast nicht existieren. Ängste blockieren und Puvi ist ein Mensch, bei dem das Geschäften einen «Flow» haben muss, es muss stetig vorwärts gehen.
Er sorgt sich um seine Gäste, Mitarbeiter und seine Familie und übernimmt überall Verantwortung. Was er tut, tut er zu 100 Prozent gut und um erfolgreich zu sein weiss er, dass manchmal gut nicht gut genug ist. Doch ist Puvi keiner, der an etwas festhält. Wenn er nicht mehr gut sein kann, etwas nicht mehr passend ist, hat er auch den Mut loszulassen. Und genau das «Loslassen» und die Veränderung seien die grössten Lernprozesse und lassen wieder Neues entstehen.
Wir sind gespannt, was Puvi noch für weitere Ideen und Visionen in den nächsten Jahren hat. Neben der traditionellen Schweizer Küche, so verrät er uns, möchte er auch vermehrt die indische Küche integrieren.
Und so wird Sissach und seine Umgebung vielleicht nicht nur von der indisch-tamilischen Herzlichkeit in Bann gezogen, vielleicht auch bald von den verschiedenen Gewürz- und Farbenvariationen aus seiner Heimat.
Lassen wir uns überraschen. Als Vollblutunternehmer wird er sicher noch viel unternehmen. Danke Puvi für Deine Inspiration.
Fabienne Ballmer im Gespräch mit Puvi Thurairajah